Betaleser - Eine wichtige Zutat
Langsam nähert sich Lotte in London Phase Drei, also dem Stadium, in dem aus einem Zweitentwurf ein Drittentwurf werden soll.
Wichtig in dieser Phase für mich ist herauszufinden, ob die Figuren die ich gebaut habe funktionieren. Was ich dafür brauche sind: Betaleser.
Noch besser: nicht nur Betaleser, sondern am besten noch total uninformierte Betaleser.
Uninformiert nicht etwa im Sinne von der Typ war nie in der Schule, sondern uninformiert im Sinne von der Typ ist noch nie mit meinen Figuren und der von mir erschaffenen Welt in Kontakt gekommen, er weiß rein gar nichts darüber und nimmt nur das was auf dem Papier steht.
Warum brauche ich unbedarfte Menschen?
Weil ich als Autor Dinge über meine Figuren weiß, die nicht alle im Buch stehen. Was wiederum bedeutet, dass Reaktionen der Figuren für mich Sinn machen, ein Leser diese aber nicht verstehen könnte, weil ihm eben Informationen fehlen. Da ich als Autor aber betriebsblind bin, brauche ich einen Betaleser, der mir da hilft und mir ein Feedback gibt, wo er oder sie sich mehr Infos wünschen würde.
Was ist ein Betaleser? Bzw. was muss ein Betaleser können?
Ich würde sagen, dass hängt ganz davon ab, was man sucht.
Wenn man von sich selbst weiß, dass Rechtschreibung irgendwie nicht der Hit ist, dann sollte man die Augen nach Experten aufhalten, ,die genau das können.
Wenn man testen möchte ob eine Geschichte noch Löcher enthält? Dann sucht man sich jemanden, der genau das kann.
Was genau ein Beta macht hängt aber auch davon ab, worum ich ihn bitte. Wenn ich meinen Beta auf mein Projekt loslasse und ihm nicht sage, er soll die Rechtschreibung außer Acht lassen, sondern sich nur auf die Geschichte an sich konzentrieren und mir Feedback zu den Figuren geben, dann muss ich mich nicht wundern, wenn er die Rechtschreibung anmerkt. Umgekehrt gilt: Wenn ich ihn oder sie nicht bitte mir Feedback zu den Figuren zu geben, sondern ihm oder ihr sage nur auf die Rechtschreibung zu achten, dann muss ich mich nicht wundern, wenn er sich bei den Figuren bedeckt hält.
Ich für meinen Teil habe gern Betas die über meine Figuren und über mögliche Löcher in der Geschichte gucken. Besonders in einem frühen Stadium der Überarbeitung. Denn für mich gilt: Es ist einfacher die Rechtschreibung zu korrigieren als sich noch mal fünf Kapitel aus den Fingern zu saugen, weil die Betas anmerken, dass ohne Zusatzinformationen das nicht zu verstehen ist.
Haken?
Der Haken an der Sache mit den Betas ist, dass man sie zum einen erst mal finden muss. Dann ist es eine Gratwanderung was man ihnen mitteilt und was nicht, denn als Autor möchte ich, dass ein Beta unbedarft an das Projekt herangeht. Eine Hilfe kann sein, dass man einen (vorläufigen) Klappentext entwirft und diesem dem interessierten Betaleser gibt, damit er etwas Information hat, aber nicht zu viel.
Natürliches Habitat
Nachdem geklärt ist, was ein Beta ist und warum Autoren ihn so händeringend suchen, bleibt die Frage: Wo finde ich so einen? Also ohne zu stehlen?
Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten, je nachdem was man haben möchte und ob man eventuell bereit wäre zu zahlen. Ja richtig gelesen, ich schrieb „bereit wäre zu zahlen“. Warum? Nun, weil Betalesen durchaus eine Dienstleistung sein kann, für die man zahlen muss.
Anzeige:
Einer der Wege an Betaleser zu kommen ist einfach eine Anzeige in der Zeitung aufzugeben und den möglichen Interessenten eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit in Aussicht zu stellen. Kein Scherz. Es gibt Autoren, die es sich leisten können und wollen, auf die Art an das erste Publikum für ihr Projekt zu kommen, denn, gerade wenn der Beta die Geschichte darauf testen soll, ob es funktioniert oder nicht, übernimmt er genau diese Funktion.
Doch klar, nicht jeder Autor kann es sich leisten auf die Art seine Betas zu finden. Hier kommen also die Möglichkeiten für die weniger betuchten von uns:
Freunde und Familie:
Einige Autoren würden mich für den Ratschlag steinigen. Es scheint generelles Gesetz zu sein, gerade nicht Familie und Freunde für diese Dienste einzuspannen. Oft ist die Begründung, dass sie nicht ehrlich zu einem sind oder aber einfach zu viel für das Projekt wissen, also genauso betriebsblind sind, wie der Autor selbst. Ich für meinen Teil kann dieses Urteil nicht bestätigen. Wenn ihr jemanden in eurer Umgebung wisst, der gern alles auseinandernimmt und der euch noch einen Gefallen schuldet, dann probiert es. Familie und Freunde ist das was wir am ehesten zur Hand haben und ich weiß, nach der Kritik die ich schon bekommen habe, dass meine ehrlich mit mir sind. Leider.
Schreibgruppen:
Schreibgruppen können manchmal von Vorteil sein. Zwar sind sie nicht immer der richtige Ort für jemanden mit einem Roman, denn oft ist das Projekt für eine Schreibgruppe zu groß, aber sie eignen sich, um Kontakt mit anderen Schreibenden aufzunehmen. Und eben jene werden eventuell auch mal Hilfe bei ihren Projekten brauchen, hier gilt also das Motto: Eine Hand wäscht die andere. Vorteil hierbei ist: Der Beta ist selbst ein Schriftsteller, sieht die Arbeit also nicht nur als Leser, sondern auch durch professionelle Augen und kann im Vergleich mit Otto Normalverbraucher konkrete Tipps geben, anstatt nur zu sagen: Hat mir nicht gefallen.
Webseiten für Schriftsteller:
Webseiten für Schriftsteller sind im Prinzip nicht anders als Schreibgruppen, nur dass man die dort Anwesenden nicht physisch vor sich hat. Aber auch hier gilt das was für Schreibgruppen gilt.
Oft ist es für Menschen einfacher eine Internetschreibgruppe oder aber ein entsprechendes Forum zu finden, als eine Gruppe in ihrem Ort, besonders wenn man weit ab vom Schuss wohnt. Deswegen, seht euch dort mal um.
Wie gut oder schlecht die Qualität dabei ist, hängt von den Mitgliedern der Seite ab und kann stark variieren. Aber je nachdem was man schreibt, braucht man auch keinen Günther Grass als Probeleser, sondern normale Erwachsene tun es auch.
Ich selbst suche mir meine Betas immer über die Foren der Seiten auf denen ich selbst lese und manchmal auch meine Arbeiten einstelle. Die einzelnen Mitglieder haben dort Profile angelegt, welche ich mir ansehe, bevor ich mich entscheide sie anzuschreiben oder nicht. Mit etwas Glück kann ich sogar Arbeiten von ihnen einsehen, die mir einen Eindruck vermitteln, ob wir zusammen passen könnten oder nicht. Wobei ich darauf achte auch bei Leuten nachzufragen, die mit meiner Thematik nicht so viel am Hut haben. Wenn es mir gelingt Skeptiker zu überzeugen, dass sie am Ende sagen: „Normalerweise lese ich keine Romanzen“, dann ist das der größte Erfolg!
Lektoren:
Klar Lektoren prüfen fertige Texte auf Rechtschreibung, Stil, Grammatik und Plotholes,aber nicht nur. Theoretisch kann man seine Texte schon früher einem Lektor anbieten und ihn nach seiner Meinung fragen. Natürlich kostet das wieder etwas und ist demnach wieder etwas für die, die es sich leisten können oder wollen.
So, ich hoffe ich konnte ein paar Anregungen für die geben, die noch auf der Suche nach Probe-, Alpha-, Beta- oder Testlesern sind, egal wie auch immer ihr sie nennen wollt. Solltet ihr noch Möglichkeiten wissen, wie man als interessiert Autor an solche strapazierfährigen, nervenstarken Menschen kommt, lasst es mich wissen. Ansonsten bis zum nächsten Artikel, in dem ich mehr über meine Erfahrungen mit Betalesern schreiben werde.