Hilfe für miese Tage - Schreibtipps aus der Konserve
Mea culpa!
Ich weiß, in den letzten Artikeln ging es um alles Mögliche, aber nicht um das Schreiben oder das Handwerk an sich. Und ich weiß, dass dies hier ein Schreibblog ist. Ja, auch ein Autorenblog – ihr sollt also schon den einen oder anderen Schwank aus meinem Leben erfahren. Aber in erster Linie wollte ich den Blog dazu nutzen, Schreibtipps weiterzugeben. Daher: mea culpa und eine Kehrwende in diesem Artikel. Dieses Mal soll es wieder um das Handwerk an sich gehen. Ich möchte euch ein paar Schreibübungen vorstellen, die ihr anwenden könnt, wenn ihr vielleicht in einer Schreibkrise steckt oder einfach nur ein paar Fingerübungen machen wollt.
Freewriting:
Viele Autoren kennen die Übung nicht als Übung an sich, sondern eher um ihr Projekt voranzutreiben. Oft ist es so, dass ihr, wenn ihr in einer Schreibblockade steckt, zu kritisch mit euch und eurem Text umgeht. Man findet an jedem Wort, dass man schreibt etwas auszusetzen. Ihr tippt und tippt und dann löscht ihr am Ende (fast) alles, so das ihr nicht weiterkommt und auf der Stelle tretet. Das sich so keine Bücher schreiben lassen, naja, das dürfte klar sein oder?
Ein Ausweg daraus kann das Freewriting sein.
Bei der Übung geht es darum, dass ihr für eine festgelegte Zeit (10 oder 15 Minuten oder gern länger) schreibt. Einfach so. Einfach alles, was euch in den Kopf kommt. Und wenn es die Einkaufsliste oder ein Rezept für Quesadillas ist, tippt es runter und im Falle des Rezepts: bitte teilen. Danke. Dann der nächste Schritt: Egal was ihr schreibt, es wird nicht korrigiert, es wird nicht bewertet. Erst wenn die Schreibzeit vorbei ist, könnt ihr schauen, ob ihr etwas von dem Geschriebenen für eurer Projekt verwenden könnt. Anfangs wird das sicher nicht der Fall sein, aber bleibt geduldig, gebt euch Zeit. Denn nur mit Hilfe von Zeit könnt ihr lernen den inneren Kritiker auszuschalten und wieder flüssig, zu schreiben. Und wenn das der Fall ist, nun, dann kann es auch wieder mit eurem Projekt weitergehen.
Schreibprompts:
Ein Bild, ein Wort, ein Satz, ein Ding, dass in einer Geschichte verarbeitet werden soll … Ein Schreibprompt kann so ziemlich alles sein, daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass ihr schon einmal über einen solchen gestolpert seid, ob ihr euch dessen bewusst seid oder nicht.
Ein Prompt wird euch gegeben – von einem Spielleiter, einem Freund, einer Freundin oder sogar vom Leben selbst. Alles ist möglich, und der Prompt dient dazu, euch und euer Schreiben in Gang zu bringen. Euer Job ist es, nachdem ihr den Prompt erhalten habt, damit zu arbeiten und etwas darüber zu schreiben. Egal was.
Das Gute an Prompts ist, dass sie so vielfältig sind und sich fast überall finden lassen. Ihr müsst nicht unbedingt ins Netz gehen oder Schreibforen durchforsten, um Schreibpromptrunden zu finden. Aber natürlich könnt ihr das tun. Der Vorteil solcher Promptrunden ist, dass am Ende verglichen wird. Jeder Teilnehmerin stellt vor, was sie oder er zu dem vorgegebenen Thema, Wort, Satz oder was auch immer geschrieben hat. Am Ende kann man dann nur noch staunen, wie vielfältig ein und dieselbe Sache interpretiert werden kann.Natürlich handelt es sich auch hier im Ursprung nur um eine Fingerübung, um euch zum Schreiben zu bringen. Aber aus so mancher Promptrunde hat sich am Ende eine Plotidee ergeben, denn schließlich starten alle Geschichten mit einem kleinen Funken – egal, was das sein mag. Und wenn nichts daraus wird, habt ihr zumindest geübt, auf Verlangen zu einem bestimmten Thema zu schreiben. Auch das kann hilfreich sein, denn Schreiben besteht leider nicht nur aus spontanen Musenküssen und fließenden Texten, sondern zu einem großen Teil aus Routine. Daher ist es wichtig, dass man sich auch mit Themen auseinandersetzen kann, die man eigentlich nicht mag, bzw. dass man auf Kommando schreiben kann. Auch wenn ich aus Erfahrung weiß, dass das weder einfach noch spaßig ist – manchmal muss es einfach sein. An manchen Tagen müsst ihr euch antreiben.
Stream of Consciousness:
Das ist eine Technik, die ich aus dem Journaling kenne. Hier geht es darum, alles aus sich herauszulassen, weswegen ihr aufgefordert seid, einfach alles zu schreiben, was euch durch den Kopf geht.
Das Gruselige daran ist, dass früher oder später Dinge auftauchen, von denen man nicht einmal wusste, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt und dass sie einen belasten.
Das Gute daran: Sie tauchen auf, und dann könnt ihr an ihnen arbeiten.
Als reine Schreibübung geht es zum einen natürlich wieder darum, die Hemmungen zu überwinden, die euch daran hindern, Worte aufs Papier zu bringen, und zum anderen darum, eure eigene Stimme zu finden, damit ihr am Ende unverwechselbar seid.
Ansonsten ist es eine gute Technik, um mal Dampf abzulassen, besonders dann, wenn es mit dem Schreiben und den Figuren nicht so klappt.Character Interviews:
Diese Technik ist mir im Rahmen der Figurenentwicklung relativ häufig begegnet, und ich mag sie sehr gern. Sie dient dazu, eure Figuren besser kennenzulernen, damit ihr besser mit ihnen umgehen und sie überzeugender schreiben könnt.
Das Ziel ist, dass ihr euch eure Figuren so lebendig und real wie möglich vorstellt und euch dann daran macht, sie wirklich kennenzulernen.
Ihr könnt dies im Rahmen eines Interviews tun, bei dem ihr euch vorher bestimmte Fragen überlegt, die ihr der Figur stellen möchtet – ganz so, wie ihr es bei einem Interview mit einem Prominenten tun würdet. Gern werden Fragen zur Biografie der Figur, zu ihrem Verhältnis zu anderen Figuren der Geschichte, zu ihrer Meinung über bestimmte Ereignisse in der Geschichte oder auch zu ihrer Motivation, bestimmte Handlungen zu vollziehen, gestellt.
Ein Beispiel: Man könnte Macbeth fragen, was ihn dazu bewegt hat, Ophelia zunächst schöne Augen zu machen, um sie dann eiskalt abblitzen zu lassen. Natürlich gebe ich zu, dass Macbeths Handlungen oft von Wahnsinn geprägt sind, weshalb wir wahrscheinlich keine klare Antwort auf diese Frage erhalten würden – jedenfalls keine, die wir verstehen könnten. Aber ihr seht: Man kann viel Spaß mit dieser Technik haben.
Was ich allerdings noch hilfreicher finde, ist eine Weiterentwicklung der Technik – wenn man es so ausdrücken kann. Lasst mich erklären, was ich meine:
Wer von euch ertappt sich nicht dabei, dass er oder sie in einer Situation denkt, ein Freund oder eine Freundin XY würde sich das nicht gefallen lassen? Er oder sie würde jetzt seine oder ihre Meinung sagen und euch auch dazu raten, genau das zu tun – oder eben nicht. Wenn ihr besagten Freund oder Freundin gut genug kennt, wisst ihr vermutlich nicht nur, dass er oder sie seine oder ihre Meinung sagen würde, sondern auch, was genau er oder sie sagen würde und in welchem Tonfall.Genau das könnt ihr mit der Erweiterung der Interviewtechnik auch mit euren Figuren machen. Ihr seht euch alltäglichen Situationen gegenüber und fragt euch, was die Figur aus eurem Projekt dazu sagen würde. Was würde sie tun? Was würde sie euch raten? Wie wahrscheinlich ist es, dass sie in eine ähnliche Situation geraten würde? Wenn nicht, warum nicht? Wo liegen die Unterschiede zu euch?
Das Ziel dieser Erweiterung ist es, eure Figuren so gut zu kennen wie eure Freunde. Ihr sollt in der Lage sein, in jeder Situation genau zu sagen, was eure Figuren dazu sagen würden. Dieses Wissen könnt ihr dann nutzen, um eine dreidimensionale Figur zu erschaffen – eine Figur, die sich so echt anfühlt, dass sie tatsächlich lebendig wirken könnte.
Plot Twist Exercise:
Beziehungsweise, ehe ich erkläre was die Plot Twist Übung ist, lasst mich noch eine Übung voranstellen, nämlich die „Kopiere bekannte Autor*innen“ - Übung.
Ich gebe zu, auf den ersten Blick mag es unlogisch und sogar etwas fragwürdig erscheinen, bekannte Schriftstellerinnen zu analysieren und sie möglicherweise zu kopieren. Schließlich gibt es Gesetze, Urheberrechte und ähnliche Regelungen, die das verbieten. Außerdem habe ich doch oben gesagt, dass es darum geht, eine eigene Stimme und eigene Figuren zu entwickeln, oder? Was soll also diese Idee?
Nun, ja, ich habe gesagt, dass ihr eure eigenen Figuren und eure eigene Stimme entwickeln sollt. Allerdings wäre es hilfreich, wenn ihr (zumindest ansatzweise) versteht, was ihr da tut, ehe ihr das tun könnt. Ihr müsst eine Ahnung vom Handwerk haben, von den Regeln und dem Aufbau einer Geschichte. Ihr müsst wissen, was Spannung ist und wie man sie erzeugt. Andernfalls lauft ihr Gefahr, eure Leserinnen zu langweilen, und das war’s.Soweit klar? Gut, aber wie kommt ihr nun an das Wissen, wie man gut schreibt?
Dorthin führen drei Wege:
Erster Weg wäre sich die Theorie über entsprechende Sachbücher / Schreibratgeber trocken anzueignen.
Joa… Müsst ihr wissen.
Der zweite, zugegebenermaßen etwas angenehmere Weg, ist es, sich das Wissen durch Lesen anzueignen. Ihr solltet jedes Buch lesen, das in dem Genre erschienen ist, in dem ihr später schreiben wollt. Es ist auch hilfreich, bekannte Werke des Genres aus unterschiedlichen Zeiten zu lesen, da sich die Stilmittel und Schreibweisen im Laufe der Zeit verändert haben.
Ja, ich sage bewusst, dass dieser Weg des Wissenserwerbs „etwas angenehmer“ ist, da auch er seine Schattenseiten hat.
Schattenseiten hier: Ihr werdet euch durch alle möglichen Bücher des Genres lesen müssen – alle Autoren, egal, ob ihr sie normalerweise lesen würdet oder nicht, und alle Qualitäten an Büchern, auch die wirklich schlechten. Man kann aus allem lernen, sogar aus vermeintlich miserablen Büchern (zum Beispiel, wie man es nicht macht!).
Ein weiterer Punkt ist, dass ihr die Bücher nicht einfach nur lest. Ihr werdet sie sezierten, was dazu führen kann, dass es weniger Spaß macht. Ihr beginnt, den roten Faden der Geschichte zu erkennen, versteht, warum die Autorin oder der Autor bestimmte Entscheidungen trifft und ahnt, was als Nächstes passieren wird. Das kann die Spannung erheblich mindern. Und wenn ihr das lange genug macht, könnt ihr erkennen, wie gut das Buch tatsächlich ist im Vergleich zu dem, was ihr selbst produziert – und dieser Vergleich kann niederschmetternd sein.
Deshalb solltet ihr euch bewusst machen, dass das Buch, das ihr in den Händen haltet, bereits durch zahlreiche Kontrollen gegangen ist. Als Konsument seht ihr immer nur das Endprodukt des Autors oder der Autorin, nicht das Rohprodukt. Was ihr jedoch schreibt, ist das Rohprodukt. Mit anderen Worten: Ein direkter Vergleich ist nicht wirklich fair.
So… Aber das nur am Rande.
Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt des Tipps: der Plot-Twist-Übung.
Bei dieser Übung geht es darum, Alternativen zu erkennen und diese auch zu schreiben.
Am einfachsten lernt ihr das, wenn ihr euch in ein bereits erschaffenes Umfeld begibt – also eine Welt nutzt, die bereits aufgebaut ist und in der die Figuren feststehen. So habt ihr die Freiheit, euch auf die Struktur und Spannung zu konzentrieren und ein alternatives Ende zu schreiben, ohne euch durch die Notwendigkeit abzulenken, die Welt weiter anzupassen oder neue Figuren zu entwickeln und ihnen einen Hintergrund zu geben. Stattdessen könnt ihr euch voll und ganz auf das konzentrieren, was im Mittelpunkt der Übung steht: Spannung aufbauen, Plottwists einbauen und die Fäden der Geschichte anders verknüpfen.
Visualisierungsübungen:
Detail ist manchmal King. Desto genauer ihr etwas oder jemanden beschreiben könnt, desto besser ist das und desto größer ist euer Wortschatz und als Autor*in sollte man sicher eines nicht sein: um Worte verlegen. Daher kann es hilfreich sein sich von Zeit zu Zeit darin zu üben das was man sieht zu beschreiben.
Ich hoffe der kleine Ausflug in die Welt des Handwerks hat euch gefallen und es war etwas für euch dabei. Wenn ihr sonst noch Tipps habt, die euch geholfen haben in den Schreibfluss zu kommen oder die euch geholfen haben den Aufbau von Geschichten zu verstehen, dann lasst es mich in den Kommentaren wissen. Ansonsten gilt wie immer: wir lesen uns hoffentlich im kommenden Monat und ihr könnt gern helfen in dem ihr entweder kommentiert, mir auf Social Media folgt oder einfach weitersagt wo ihr euch eure Schreibtipps herholt.