Magische Problemlöser – magical Thinking im Alltag
Kennt ihr Whoop? Whoop, das Konzept, mit dem all eure Wünsche in Erfüllung gehen, indem ihr einfach das richtige Mindset habt?
Das kennt ihr nicht?
Macht nichts. Habt ihr nichts verpasst. Meiner Meinung nach sind diese Konzepte, egal welchen Namen sie tragen, maßlos überschätzt und eigentlich nicht die Energie wert, auch nur diesen Artikel hier zu schreiben.
Andererseits bin ich vor Kurzem nicht nur mal wieder über Whoop gestolpert, was ja schon schlimm genug wäre, nein, ich bin auch noch auf der Seite einer gesetzlichen Krankenkasse darüber gestolpert! Und das macht mich dann doch so sauer, dass ich die Energie aufwenden muss, um darüber zu schreiben, sonst platze ich.
Okay, lasst mich erst mal kurz durchatmen und dann will ich versuchen zu erklären, warum es mich so sauer macht, dass ich auf der Seite einer Krankenkasse über so ein Konzept stolpere. Auch wenn das nicht so einfach wird, weil ich nicht genau weiß, wie ich anfangen soll.
Gut. Bevor ich ans Eingemachte gehe und kritisiere, lasst mich für alle die es nicht wissen erklären, was Whoop ist:
Whoop ist ein gedankliches Konzept, dass es demjenigen, der es praktiziert, ermöglichen soll seine Pläne und Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.
Angeblich sollen hinter dem Konzept Jahre der Hirnforschung stecken und richtig angewandt soll es dazu führen, dass man sich selbst dahingehend beeinflusst, dass man seine Pläne erfolgreich in die Tat umsetzt. Wobei bei den Plänen egal ist, um was es geht. Ob ihr mit dem Rauchen aufhören oder mehr Sport machen wollt oder ihr an eurer Beförderung feilt, Whoop machts möglich.
Klingt an sich gut oder?
Zeigt mir einen Menschen, der keine Wünsche oder Pläne hat, die er gern erfüllt sehen wollen würde. Und wenn man es ganz einfach überallhin mitnehmen und überall praktizieren kann, ist das doch für unser heutiges Leben perfekt. Wie also geht das? Wie macht man das? Wofür steht Whoop?
Die vier Stichworte der Whoop Methode lauten: Wish – Outcome – Obstacle – Plan (Auf Deutsch: Wunsch – Ergebnis - Hindernis – Plan)
Wie ihr aus den Begriffen sehen könnt, ist der zentrale Kern des magischen Pudels, dass ihr euch fragt, was ihr erreichen wollt. Was ist euer Wish, euer Wunsch / Plan?
Wobei ihr euch nicht nur platt sagen sollt, was ihr wollt, nein, es geht darum, dass ihr es euch so bunt und real wie möglich ausmalt und sich dabei auch vorstellt, wie man sich fühlen würde, was es verändern würde, wenn ihr diesen Wunsch, das Ziel erreichen würdet.
Wenn ihr das habt, habt ihr bereits zwei Phasen, zwei Buchstaben der Methode erschlagen. Nämlich W und eines der Os. W für Wish (Wunsch) und O für outcome (Ergebnis).
Zwei geschafft, bleiben noch zwei weitere. Eines davon ist auch wieder ein O, was in dem Fall für Obstacle (Hindernis) steht und der Frage nachgeht, welche Hindernisses es auf dem Weg zur Verwirklichung des Wunsches stehen.
Nachdem ihr euch überlegt habt, was ihr wollt und was es für euch bedeuteten würde es zu haben, stellt ihr euch jetzt vor, wer oder was euch in die Quere kommen könnte und wie ihr diese Hindernisse aus dem Weg räumen könntet. Und auch dabei gilt: wie immer schön bunt und möglichst echt vorstellen. Das ist der wirklich wichtige Teil daran und dann auch schon der nächste Buchstabe, das P für Plan. (Ich geh davon aus, dass ich das nicht übersetzen muss.) Plan bezeichnet hier die Lösungsansätze, die man sich zu den Hindernissen ausdenkt / vorstellt.
So. Und das ist es.
Das ist Whoop. Das ist die gute Fee, die euch mit dem magischen Zauberstab über den Schädel haut, damit ihr alle in näher Zukunft erfolgreich und megaglücklich seid und wir sehen uns natürlich alle in Hollywood, denn natürlich werden wir jetzt alle da enden, gibt ja quasi keinen anderen Ausweg mit so einem derben, tollen Konzept oder? Wo doch Jahre der Hirnforschung darin stecken kann das ja nur professionell und gut sein. Und wo es auch auf der Seite einer gesetzlichen Krankenkasse vorgestellt und angepriesen wird, was soll da schon schief gehen?
Nun, dann sind wir jetzt bei dem Teil wo ich die Kritik nicht mehr zurückhalten kann.
Wem von euch die Whoop Taktik gefällt und er sie ausprobieren möchte, go ahead auf eigene Gefahr, und du / sie / ihr solltet dann jetzt nicht mehr weiterlesen, denn… in aller Kürze: Ich halte von solchen Konzepten rein gar nichts! Davon, dass sie auf der Seite einer gesetzlichen Krankenkasse angeboten werden noch viel viel viel weniger! Das klingt eher nach etwas, dass sich im Repertoire eines Sektenführers befinden sollte, denn in einem Werkzeugkasten einer Krankenkasse.
In meinen Augen ist es kein sicherer Weg zur Wunscherfüllung, eher in sichere Schuldgefühle, die dann wiederum im schlimmsten Fall zu einer Depression führen, weil die Anwender gar nicht verstehen, warum die Methode bei ihnen nicht funktioniert. Denn als genau das wird es ja verkauft.
Ein sicheres, einfaches Konzept, dass deine Wünsche in die Realitiät umsetzt, bzw. dass es dir /euch ermöglicht eure Wünsche wahr zu machen.
Alles, was ihr dafür tun müsst, ist es euch ganz doll zu wünschen und dann vorzustellen.
Nebst natürlich den Hindernissen, denn inzwischen ist niemand mehr so blöd zu glauben, dass alles ohne Hindernisse möglich ist. Nein, auch die Verkäufer vermeintlich toller Gedankenkonzepte lernen ja dazu. Ist doch klar.
Also, die Methode verspricht, dass ihr selbst die Kraft und das Wissen entwickeln könnt, erfolgreich zu sein. Umkehrschluss: Wenn es nicht klappt, wenn ihr nicht erfolgreich eure Wünsche/Pläne umsetzt, muss wohl was bei euch falsch sein.
Wobei, wenn wir jetzt mal die Whoop-Methode anwenden und dem zweiten O für Hindernis folgen, wird sehr schnell klar, dass es viele, viele Wege gibt, wie Dinge schief laufen können, ohne dass euch irgendeine Schuld trifft. Zum Beispiel beginnt es schon mal damit, dass die wenigsten von uns wirklich wissen, wir konkrete Ziele formulieren. Das ist nicht so einfach, wie man meint, und in den meisten Fällen stellen wir uns Dinge viel zu abstrakt vor, und entsprechend abstrakt sind die Ziele dann auch formuliert.
Wenn es aber schon am Anfang hakt, dann ist klar, wie der weitere Verlauf ist, oder?
Oder ihr formuliert ein konkretes Ziel, sagen wir mal, ihr wollt etwas an Gewicht verlieren. Ihr denkt das alles durch, denkt daran, dass ihr x Mal pro Woche Gemüse essen wollt, dass das, was auf den Teller kommt, um die Hälfte reduzieren wollt. Außerdem wollt ihr die Cola weglassen oder den Zucker im Tee und ihr wollt von jetzt an 2x pro Woche zum Bouldern gehen und auf die Weise wollt ihr 3 Kilo verlieren. Mehr nicht, weil ihr habt euch schlau gemacht und wisst, dass ein normaler Mensch, unter normalen Bedingungen nicht so viel Gewicht auf einen Schlag verlieren sollte. Gleichzeitig überlegt ihr euch, welche Hindernisse auf dem Weg dahin lauern könnten. Nächtliche Hungerattacken, Frustfressen, Günther, der innere Schweinehund, der bei Regen nicht zur Boulderhalle sprinten will… Gegen diese Stolperfallen überlegt ihr euch auch entsprechende Hilfen. Einen Kletterkumpel, der nach euch fragt, wenn ihr nicht erscheint. Keinen Süßkram mehr im Haus, stattdessen für den Notfall gesunde Snacks, falls doch mal was einreißen sollte. Ein mega Paddel für Günther, um ihn in die Halle zu klopfen…
Alles soweit fertig und gut und trotzdem nehmt ihr nicht ab!
Kein Gramm.
Nicht eines.
Auch die Muskelmasse wächst nicht, obwohl ihr zweimal die Woche von der Decke der verdammten Boulderhalle hängt!
Wie kann das sein? Ihr habt euch das doch alles überlegt und so toll vorgestellt, wie ihr in die neue Jeans passt, wie ihr von eurem Arzt gefeiert werdet, weil die Werte besser sind, wie ihr euch besser und angenehmer bewegen könnt, schneller und weiter laufen könnt, nicht mehr der Straßenbahn hinterher schnauft, als stündet ihr kurz vor dem Kollaps. Wer hat denn jetzt schuld? Laut Gebrauchsanweisung der Methode soll es doch funktionieren? Wo liegt denn nun das Problem? Laut Whoop bei euch. Irgendwas habt ihr falsch gemacht. Hilfe der Hirnforschung programmiert ihr euch ja darauf erfolgreich zu sein. Und einen gewissen Erfolg kann man doch sehen. Ihr habt gerade eure Ernährung, euer Leben komplett umgekrempelt. Nur hat es nicht zum Ziel geführt. In anderen Worten: Ihr habt gerade einen Haufen Energie und Geld umsonst rausgeworfen! Und bekommen habt ihr nur Frust, Muskelkater und hässliche Sportklamotten!
Ja, klingt lustig, aber es macht mich sauer. Es macht mich sauer, weil die Schuld für das Versagen beim Betroffenen abgeladen wird, der dadurch einen doppelten Schaden hat.
Noch wütender macht mich, dass ich so etwas auf Seiten finde, die eigentlich neutral und vertrauenswürdig sein sollten. Ausgerechnet eine Krankenkasse packt so etwas auf ihre Seite? Was soll das werden? Ein neuer Plan zur Kosteneinsparung? Statt neutraler und wissenschaftlichen Informationen stolpere ich über ein Konzept amerikanische Wunderheiler? Das ist, wie wenn sich das Beerdigungsinstitut gleich direkt neben dem Altenheim oder Krankenhaus ansiedelt. Geschmacklos! In diesem Fall nicht nur das, sondern eben auch noch gefährlich. Weil es genug Leute gibt, die auf so etwas reinfallen und dann am Ende schlechter dastehen als vorher! Was durchaus zu Frust und zu gefährlichen Situationen führen kann.
Weswegen Krankenkassen mit solchen Konzepten nicht hausieren gehen sollten! Das hat da nichts zu suchen!
Und allein durchgeführt werden sollte es ebenfalls nicht.
Ja, Visualisation ist ein Teil der Hirnforschung und ist eine Methode, die in der Verhaltenstherapie eingesetzt werden KANN, aber die Betonung liegt auf KANN. Sollte sich so eine Methode bei euch anbieten, wird das von einer erfahrenen Kraft, einem Psychologen oder einem Psychiater entschieden und auf eurer Reise, bzw. bei der Anwendung der Methode werdet ihr nicht allein gelassen, wie es der Fall ist, wenn ihr euch Whoop zu Eigen macht. Im Gegenteil.
Um das Ganze zu einem Fazit zu bringen: Was halte ich von etwas wie Whoop?
Ähmmm …. nix! Im besten Fall.
Was halte ich davon, dass so etwas auf den Seiten der Krankenkassen zu finden ist?
Ohhhh, don't get me started!
Glaube ich nicht daran, dass man mit einer entsprechenden Einstellung Erfolg haben kann? Doch, ich glaube schon, dass es eine Vielzahl von Einstellungen und auch eine Vielzahl von Verhaltensweisen braucht, um erfolgreich zu sein. Durchhaltevermögen und Disziplin wären zwei davon. Sich zu überlegen, was man möchte und wo die Hindernisse auf dem Weg liegen können, ist auch nicht zu verachten. Sich Lösungen für die Hindernisse zu überlegen, ist ebenfalls gut.
Allerdings ist mir auch bewusst, dass es immer Dinge geben wird, die sich meiner Kontrolle oder Vorstellung entziehen, so dass Whoop sie nicht erfassen kann und es immer wieder Stolperfallen geben wird.
Plus ich glaube auch fest daran, dass wir alle unsere Talente und Schwächen haben, was wiederum dazu führt, dass nicht jeder den mega Erfolg haben wird, den er oder sie sich ausmalt, weil es an Fähigkeiten und Talenten fehlt, die man sich auch nicht wirklich anlesen kann.