Rezension “Die Erzähler” von Ursula Le Guin

Vor einigen Wochen habe ich das Buch „Die Erzähler“ von Ursula Le Guin durchgelesen und obwohl das Buch im Ganzen einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat, wäre ich doch nicht in der Lage die Frage zu beantworten, ob ich es verstanden habe. Um ehrlich zu sein, ich wäre nicht mal in der Lage überhaupt zu sagen, ob es bei dem Buch etwas zu verstehen gibt, oder ob es sich nicht nur um ein „Weltbauexperiment“ handelt. Also um eine Geschichte, bei der es nur darum geht eine fremde Welt zu erschaffen, Figuren Abenteuer in ihr bestehen zu lassen und sonst aber keine tiefere Botschaft in dem Text zu verstecken. Eine Geschichte, bei der es um das reine basteln von Welten und Figuren geht, eben. Denn nichts anderes ist dieses Buch für mich. Es endet für mich genau wie es begonnen hat, mit Verwirrung. Doch kommen wir erst mal zu der Geschichte selbst.

In „Die Erzähler“ wird die Hauptfigur Sutty auf den Planeten Aka entsand, um dort für die Ökumene, eine Gemeinschaft, für die sie arbeitet, die alten Schriften und die Historie des Planeten zu studieren. Was sich nach einem normalen Job anhört, stellt aber ein Problem dar, denn zum einen stehen die Bewohner von Aka „Fremdweltlern“ wie Sutty misstrauisch gegenüber. So können Sutty und ihre Kollegen keinen Schritt ohne Überwachung auf dem Planeten machen. Zum anderen ist es auf Aka verboten, die alten Schriften und dementsprechend die Historie des Planeten zu studieren. Die alten Schriften wurden im Rahmen einer Revolution, die sich „Marsch zu den Sternen“ nennt, verboten und wird, wo sie noch zu finden ist, ausgerottet. Doch nicht nur schriftliche Erzeugnisse gehören ausgerottet, sogar das erzählen, also das mündliche weitergeben von Legenden, Geschichten, sogar alten Kochrezepten, ist verboten und Leute, die dies tun, Maz genannt, werden von dem neuen System gejagt und vernichtet.

Entsprechend groß ist die Überraschung bei Sutty und ihrem Chef, als man ihr erlaubt in die abgelegenen Gebirgsregionen des Planeten zu reisen, um dort ihre Studien zu betreiben.
Was Sutty dort findet, ist eine alte Kultur, die im Untergrund weiterblüht. Doch nicht nur das wird Sutty klar, sondern im Verlauf ihres Studienaufenthaltes in der wilden Landschaft, wird ihr auch klar, dass sie auf einer Welt mit zwei fanatischen Lagern gelandet ist. Das eine möchte die alte Kultur bewahren, sieht sich bedroht vom neuen Regime und das andere ist das Lager der Fortschrittsgläubigen, die ihre Wurzeln nicht nur kappen, sondern komplett vernichten wollen, um unbelastet von alten Problemen nach den Sternen zu greifen.

Am Ende des Buches hat Sutty nicht nur gefunden, wonach sie gesucht hat, sondern auch die Erkenntnis bekommen, dass das was auf ihrer eigenen Welt schief gegangen ist, hier beginnt und eventuell noch aufzuhalten ist.

Das Buch von Ursula Le Guin ist spannend und farbenfroh geschrieben. Die Bilder, die sie wählt um ihren Leser die Welt von Aka zu zeigen, sind gar nicht so fremdartig, sondern erinnern stark an den asiatischen Raum. So könnten die beschriebenen Naturlandschaften in Tibet zu finden sein, auch die Klöster, die den Schatz der Maz, die letzten noch verbliebenen Bücher und Schriftrollen bewahren, erinnern an tibetische Tempel. Wer sich nicht daran stört, dass er bis zur Mitte des Buches kaum begreift, um was es geht, wann und wo er sich eigentlich befindet und bereit ist einfach stur weiter zu lesen, der wird mit einer wundervollen Erzählung und einem Abenteuer in einer beeindruckenden, exotischen Welt belohnt. Für Leser, die gern schnell wissen wollen, was der rote Faden des Buches ist, gilt Hände weg von diesem Buch.

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